Der kaleidoskopische Blick oder: Die magische Kraft der Symmetrie

 

Wir kennen es aus unserer Kindheit: das Gefühl der absoluten Faszination beim ersten Blick durch ein Kaleidoskop. Ein Phänomen, erzeugt durch einen simplen physikalischen Vorgang, verhilft dem Alltäglichen zu absoluter Schönheit. Niemand kann sich diesem Anblick entziehen und er wirkt ein Leben lang weiter: John Lennon komponierte 1967 ein Lied mit dem Titel „Lucy in the Sky with Diamonds”. Er sah eine Märchenfigur vor seinem geistigen Auge – das Mädchen mit den Kaleidoskop-Augen, das aus dem Himmel kommen und ihn retten würde. Der Aphoristiker Charles Tschopp bediente sich dieser Metapher in seinem literarischen Werk „Kaleidoskop des Alltags“, um die Vielfarbigkeit des menschlichen Lebens zu beschreiben. Zwei von vielen Beispielen, aber – was fasziniert uns Menschen eigentlich so an diesem Phänomen, und woher kommt es?  

 

Der Begriff Kaleidoskop stammt aus dem Griechischen und bedeutet: „schöne Formen sehen”. In der Biologie ist die Symmetrie ein natürliches Grundgesetz: Gleichmäßigkeit steht in der Tierwelt für Gesundsein. Hirschböcke mit dem größten Harem besitzen nicht nur das mächtigste, sondern auch das gleichmäßigste Geweih. Skorpionsfliegen mit symmetrischen Flügeln sind als Jäger am erfolgreichsten und daher für die Weibchen besonders attraktiv. 

 

Fazit: kaum eine Äußerlichkeit scheint quer durch alle lebenden Wesen hinweg so geeignet zu sein, mit der Qualität der eigenen Gene zu protzen wie Symmetrie.Auch die Geschichte der Kunst ist durchzogen von Theorien rund um das Thema Symmetrie. Der römische Architekt Vitruv widmete ihr fast das ganze Leben, Leonardo da Vincis Proportionszeichnung illustrierte die perfekten Proportionen des menschlichen Körpers. Er war es auch, der mit achsensymmentrischen „Klecksbildern” experimentierte und anderen Künstlern vorschlug, sich gelegentlich von solch zufälligen Gebilden inspirieren zu lassen. 

 

Leo Fellinger spielt in seinen fotografischen Konstruktionen mit unterschiedlichen Ebenen von Realität, wobei Ausgangspunkt immer das Alltägliche ist. Doch die Wirklichkeit wird in diesen Bildern immer wieder gebrochen - in einem Spiel mit Farbe und Form, aber in hohem Maße mit dem Zufall. Er sucht sich als Ausgangsmaterial mit Vorliebe kleine, oft unscheinbare Dinge als Grundlagen für seine Bilder, oft auch organischen Ursprungs. Erst in der Multiplikation, der symmetrischen Kaleidoskopierung entfalten sie ihre verborgene Ästhetik, entwickeln sich zu pfauenartigen Wesen, die eine scheinbare Realität zeigen. Diese zwei Ebenen – die Alltäglichkeit und die gebrochene Realität – machen den Reiz dieser Bilder aus.